Bible in 90 Days
Die dritte Rede des Bildad
25 Da antwortete Bildad, der Schuchiter, und sprach:
2 Herrschaft und Schrecken sind bei Ihm; Frieden schafft Er in seinen Höhen.
3 Sind seine Scharen zu zählen? Und über wem erhebt sich nicht sein Licht?
4 Wie kann aber der Sterbliche gerecht sein vor Gott, und wie will der rein sein, der von der Frau geboren ist?
5 Siehe, sogar der Mond leuchtet nicht hell, und die Sterne sind nicht rein in seinen Augen
6 — wie viel weniger der Sterbliche, die Made, und das Menschenkind, der Wurm!
Letzte Erwiderung Hiobs an seine drei Freunde
26 Und Hiob antwortete und sprach:
2 Wie hast du doch den Ohnmächtigen unterstützt und dem machtlosen Arm geholfen!
3 Wie hast du den beraten, dem Weisheit fehlt, und Einsicht in Fülle mitgeteilt!
4 Wen hast du mit deinen Worten getroffen, und wessen Odem[a] ist aus dir hervorgegangen?
5 Die Schatten[b] werden von Zittern erfasst unter den Wassern und ihren Bewohnern.
6 Das Totenreich liegt enthüllt vor Ihm, und der Abgrund hat keine Decke.
7 Er spannt den Norden aus über der Leere und hängt die Erde über dem Nichts auf.
8 Er bindet die Wasser in seinen Wolken zusammen,[c] und das Gewölk zerreißt nicht unter ihrem Gewicht.
9 Er verschließt den Anblick des Thrones[d], er breitet sein Gewölk darüber.
10 Er hat einen Kreis abgesteckt auf der Oberfläche der Wasser bis zur Grenze von Licht und Finsternis.
11 Die Säulen des Himmels erbeben und erschrecken vor seinem Schelten.
12 Durch seine Kraft erregt er das Meer, und mit seinem Verstand zerschlägt er das Ungeheuer[e].
13 Durch seinen Hauch wird der Himmel klar; mit seiner Hand durchbohrt er die flüchtige Schlange.
14 Siehe, das sind die Umrisse seiner Wege; wie leise ist das Wort, das wir davon vernehmen! Aber den Donner seiner Macht — wer versteht ihn?
Hiob hält an seiner Unschuld fest
27 Und Hiob setzte seine Rede fort und sprach:
2 So wahr Gott lebt, der mir mein Recht entzogen, und der Allmächtige, der meine Seele verbittert hat:
3 Ja, solange noch mein Odem in mir ist und der Hauch Gottes in meiner Nase,
4 sollen meine Lippen nichts Verkehrtes reden und meine Zunge keine Lüge aussprechen![f]
5 Fern sei es von mir, dass ich euch recht gebe; ich werde mir meine Unschuld nicht nehmen lassen bis an mein Ende!
6 Ich halte an meiner Gerechtigkeit fest und werde sie nicht loslassen; mein Gewissen straft mich über keinen meiner Tage![g]
7 Meinem Feind aber ergehe es wie dem Gottlosen, und meinem Widersacher wie dem Übeltäter!
8 Denn was für eine Hoffnung hat der Frevler, wenn Gott [ihn] abschneidet, wenn Er ihm seine Seele entzieht?
9 Wird Gott sein Geschrei erhören, wenn Not über ihn kommt?
10 Wird er an dem Allmächtigen seine Lust haben, wird er Gott anrufen zu jeder Zeit?
11 Ich will euch über die Hand Gottes belehren und euch nicht verhehlen, was bei dem Allmächtigen gilt.
12 Siehe, ihr selbst habt es alle gesehen — warum schwatzt ihr dann nichtiges Zeug?
13 Das ist das Teil des gottlosen Menschen von Gott, und dies das Erbe, das die Gewalttätigen empfangen von dem Allmächtigen:
14 Wenn seine Kinder sich mehren, so ist"s für das Schwert, und seine Sprösslinge können sich nicht am Brot sättigen.
15 Die ihm noch übrig bleiben, sinken durch die Pest ins Grab, und ihre Witwen beweinen sie nicht.
16 Wenn er auch Geld zusammenscharrt wie Staub und Kleider aufhäuft wie Straßendreck
17 — er bringt sie zwar zusammen, aber der Gerechte wird sie anziehen, und das Geld wird der Unschuldige erben.
18 Er baut sein Haus wie die Motte, und wie die Laubhütte, die sich der Wächter macht.
19 Reich legt er sich hin, und noch ist ihm nichts weggenommen; er schlägt die Augen auf, und nichts ist mehr da!
20 Schrecken ergreift ihn wie eine Wasserflut, der Sturmwind führt ihn über Nacht davon.
21 Ein Ostwind hebt ihn empor, und er fährt dahin; er rafft ihn von seiner Stätte hinweg.
22 Schonungslos schleudert Er [Geschosse] nach ihm, eiligst muss er fliehen vor seiner Hand.
23 Man klatscht über ihn in die Hände und zischt ihn aus von seinem Wohnort her.
Hiob auf der Suche nach der Weisheit
28 Denn für das Silber gibt es einen Fundort[h] und für das Gold einen Platz, wo man es läutert.
2 Eisen wird aus dem Erdenstaub gewonnen, und Gestein schmilzt man zu Kupfer.
3 Man macht der Finsternis ein Ende und forscht alles vollkommen aus; selbst das Gestein, das in Finsternis und Dunkelheit liegt.
4 Einen Schacht bricht man auf von da aus, wo man wohnt; wie vergessen, ohne ihren Fuß aufzusetzen, baumeln und schwanken sie, weit weg von den Menschen.[i]
5 Aus der Erde kommt zwar Speise hervor, aber unter ihr ist"s wie vom Feuer durchwühlt.
6 Ihr Gestein ist der Fundort des Saphirs, und Goldstaub ist in ihr.
7 Ein Pfad [ist"s], den kein Raubvogel kennt und den auch das Auge des Habichts nicht erspäht,
8 den auch das stolze [Wild] nicht betreten hat, auf dem der Löwe nicht geschritten ist.
9 [Der Mensch] streckt seine Hand nach dem Felsgestein aus, wühlt die Berge um von Grund auf.
10 Er treibt Stollen in die Felsen, und sein Auge erfasst alles, was kostbar ist.
11 Die Ströme[j] hat er eingedämmt, damit sie nicht durchsickern, und er bringt das Verborgene[k] hervor ans Licht.
12 Aber die Weisheit, wo wird sie gefunden, und wo ist der Fundort der Einsicht?
13 Der Sterbliche kennt ihren Wert nicht, und im Land der Lebendigen wird sie nicht gefunden.
14 Die Tiefe spricht: »Sie ist nicht in mir!«, und das Meer: »Sie ist nicht bei mir!«
15 Mit Feingold kann man sie nicht bezahlen, und Silber kann nicht als ihr Kaufpreis abgewogen werden.
16 Um Gold von Ophir ist sie nicht zu haben, auch nicht um köstlichen Onyxstein und Saphir.
17 Gold und Glas kommt ihr nicht gleich, noch kann man sie eintauschen gegen ein goldenes Gerät.
18 Korallen und Kristall gelten nichts gegen sie, und der Besitz der Weisheit geht über Perlen.
19 Der Topas aus Kusch ist ihr nicht zu vergleichen; mit reinem Gold wird sie nicht aufgewogen.
20 Woher kommt denn nun die Weisheit, und wo ist die Fundstätte der Einsicht?
21 Sie ist verborgen vor den Augen alles Lebendigen und vor den Vögeln des Himmels versteckt.
22 Der Abgrund und der Tod sprechen: »Wir haben mit unseren Ohren ein Gerücht von ihr gehört!«
23 Gott hat Einsicht in ihren Weg, und er kennt ihre Fundstätte.
24 Denn Er schaut bis zu den Enden der Erde und sieht alles, was unter dem Himmel ist.
25 Als er dem Wind sein Gewicht gab und die Wasser abwog mit einem Maß,
26 als er dem Regen sein Gesetz bestimmte und dem donnernden Unwetter seinen Weg:
27 Da hat er sie gesehen und verkündigt, sie bestätigt und ergründet[l],
28 und er sprach zum Menschen: »Siehe, die Furcht des Herrn, das ist Weisheit, und vom Bösen weichen, das ist Einsicht!«
Hiob blickt zurück auf sein einstiges Glück
29 Und Hiob fuhr fort im Vortrag seiner Sprüche und sagte:
2 O dass ich wäre wie in den früheren Monaten, wie in den Tagen, als Gott mich behütete,
3 als seine Leuchte über meinem Haupt schien und ich in seinem Licht durch das Dunkel ging;
4 wie ich in den Tagen meiner Mannesreife war, als über meinem Zelt der vertraute Umgang mit Gott waltete,
5 als der Allmächtige noch mit mir war und meine Knechte um mich her;
6 als ich meine Tritte in Milch badete und der Fels neben mir Öl in Strömen ergoss.
7 Wenn ich [damals] zum Tor ging, zur Stadt hinauf, und meinen Sitz auf dem Marktplatz aufstellte,
8 und mich die Jungen sahen, so verbargen sie sich, und die Greise standen auf und blieben stehen.
9 Die Fürsten hörten auf zu reden und legten die Hand auf ihren Mund.
10 Die Stimme der Vornehmen verstummte, und ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen.
11 Wessen Ohr mich hörte, der pries mich glücklich, und wessen Auge mich sah, der stimmte mir zu.
12 Denn ich rettete den Elenden, der um Hilfe schrie, und die Waise, die keinen Helfer hatte.
13 Der Segenswunsch des Verlorenen kam über mich, und ich brachte das Herz der Witwe zum Jauchzen.
14 Die Gerechtigkeit, die ich angelegt hatte, bekleidete mich; als Talar und Turban diente mir mein Recht.
15 Ich war das Auge des Blinden und der Fuß des Lahmen.
16 Ich war der Vater des Armen, und die Streitsache dessen, den ich nicht kannte, untersuchte ich.
17 Ich zerbrach die Kinnladen des Frevlers und riss ihm den Raub aus den Zähnen.
18 Und so dachte ich: Ich werde in meinem Nest sterben und meine Tage vermehren wie Sand.
19 Meine Wurzel war an Wassern ausgebreitet, und der Tau übernachtete auf meinem Zweig.
20 Meine Ehre erneuerte sich bei mir, und mein Bogen verjüngte sich in meiner Hand.
21 Auf mich hörte und wartete man und lauschte stillschweigend auf meinen Rat.
22 Auf mein Wort folgte kein Widerspruch, und meine Rede träufelte auf sie.
23 Sie harrten auf mich, wie auf einen Regen, und sperrten ihren Mund auf wie nach einem Spätregen.
24 Ich lächelte ihnen zu, wenn sie kein Zutrauen hatten, und das Licht meines Angesichts konnten sie nicht trüben.
25 Ich wählte für sie den Weg aus und saß an ihrer Spitze und thronte wie ein König inmitten seiner Schar, wie einer, der die Traurigen tröstet.
Hiobs Elend und Demütigung
30 Jetzt aber lachen die über mich, die an Jahren jünger sind als ich, deren Väter ich verschmäht hätte, neben die Hunde meiner Herde zu setzen!
2 Wozu sollte mir die Arbeit ihrer Hände dienen, da es ihnen an ungebrochener Kraft fehlte?
3 Durch Mangel und Hunger abgezehrt, benagen sie das dürre Land, das längst wüst und verödet war;
4 sie pflücken Salzkraut[m] am Gesträuch, und ihr Brot ist die Ginsterwurzel.
5 Aus der Gemeinschaft werden sie gejagt; man schreit über sie wie über Diebe.
6 Am Abhang der Schluchten müssen sie wohnen, in Erdlöchern und Felsenhöhlen.
7 Im Gebüsch schreien sie, unter dem Unkraut finden sie sich zusammen.
8 Als Kinder von Narren, Kinder von Ehrlosen[n], sind sie aus dem Land hinausgepeitscht worden.
9 Und jetzt bin ich ihr Spottlied geworden und diene ihnen zum Geschwätz!
10 Sie verabscheuen mich, fliehen vor mir, und vor meinem Angesicht halten sie den Speichel nicht zurück.
11 Denn meine Bogensehne hat Er gelöst und mich gebeugt, darum lassen sie den Zügel vor mir schießen.
12 Zu meiner Rechten erhebt sich die Brut; sie stoßen meine Füße weg und schütten ihre Rampen zum Sturm gegen mich auf.
13 Meinen Pfad haben sie eingerissen, zu meinem Untergang helfen sie, die selbst keinen Helfer haben.
14 Wie durch eine weite Bresche rücken sie heran; unter Getöse wälzen sie sich daher.
15 Jähe Schrecken haben sich gegen mich gewendet; meine Ehre ist wie der Wind verflogen, und meine Rettung ist vorübergezogen wie eine Wolke.
16 Und nun zerfließt meine Seele in mir; die Tage des Elends haben mich ergriffen.
17 Die Nacht durchbohrt mein Gebein, und meine nagenden Schmerzen schlafen nicht;
18 durch ihre große Heftigkeit verändert sich mein Gewand; wie der Kragen meines Hemdes schnürt es mich ein.[o]
19 Er hat mich in den Kot geworfen, und ich bin wie Staub und Asche geworden.
20 Ich schreie zu dir, und du antwortest mir nicht; ich stehe da, und du beobachtest mich.
21 Du hast dich mir in einen unbarmherzigen Feind verwandelt; mit deiner gewaltigen Hand widerstehst du mir.
22 Du setzt mich dem Sturm aus, lässt mich dahinfahren, lässt mich vergehen in Unruhe.
23 Denn ich weiß, dass du mich zum Tode führen wirst, in das Haus, wo alle Lebendigen zusammenkommen.
24 Doch streckt man nicht seine Hand aus, wenn man unter Trümmern [begraben] ist, oder ruft man nicht um Hilfe, wenn man untergeht?
25 Habe ich nicht geweint über den, der böse Zeiten hatte, und war meine Seele nicht über den Armen bekümmert?
26 Ja, ich habe auf Gutes gehofft, und es kam Böses; ich wartete auf das Licht, und es kam Finsternis.
27 Meine Eingeweide sind zum Sieden gebracht und haben keine Ruhe; die Tage meines Elends sind mir entgegengetreten.
28 Traurig gehe ich einher, ohne Sonne; ich stehe in der Gemeinde auf und schreie [um Hilfe].
29 Ich bin den Schakalen ein Bruder geworden und ein Gefährte der Strauße.
30 Meine Haut ist schwarz geworden und löst sich von mir ab, und meine Gebeine brennen vor Hitze.
31 Mein Harfenklang ist zu einem Trauerlied geworden und mein Flötenspiel zu lautem Weinen.
Hiob hält an seiner Unschuld fest
31 Ich hatte einen Bund geschlossen mit meinen Augen, dass ich ja nicht [begehrlich] auf eine Jungfrau blickte.
2 Denn was würde mir Gott vom Himmel her zuteilen, und welchen Lohn erhielte ich von dem Allmächtigen aus der Höhe?
3 Ist denn das Unglück nicht für den Ungerechten und das Missgeschick für die Übeltäter?
4 Sieht Er denn nicht meine Wege und zählt alle meine Schritte,
5 sodass er wissen kann, ob ich mit Lügen umgegangen oder auf Betrug ausgegangen bin?
6 Er wäge mich auf der Waage der Gerechtigkeit, so wird Gott meine Tadellosigkeit[p] erkennen!
7 Ist mein Schritt vom Weg abgewichen oder mein Herz den Augen nachgewandelt, und klebt an meinen Händen ein Makel,
8 so will ich säen, und ein anderer soll essen, und meine Pflanzungen sollen entwurzelt werden!
9 Hat sich mein Herz zu einer Frau hinreißen lassen, oder habe ich an der Tür meines Nächsten gelauert,
10 so soll meine Frau für einen anderen mahlen, und andere mögen sich über sie beugen!
11 Denn das wäre eine Schandtat und ein strafwürdiges Vergehen,
12 ja, ein Feuer wär"s, das bis zum Abgrund fräße und all meinen Ertrag verzehren würde mit Stumpf und Stiel!
13 Wenn ich meinem Knecht oder meiner Magd das Recht verweigert hätte, als sie einen Rechtsstreit gegen mich hatten,
14 was wollte ich tun, wenn Gott gegen mich aufträte; und wenn er mich zur Rede stellte, was wollte ich ihm antworten?
15 Hat nicht der, der mich im Mutterleib bereitete, auch ihn gemacht? Hat nicht ein und derselbe uns im Mutterleib gebildet?
16 Habe ich den Armen versagt, was sie begehrten, und die Augen der Witwe verschmachten lassen?
17 Habe ich meinen Bissen allein verzehrt, und hat der Verwaiste nichts davon essen können?
18 Wahrlich, von meiner Jugend auf ist er bei mir aufgewachsen wie bei einem Vater, und von meiner Mutter Leib an habe ich [die Witwe] geführt!
19 Habe ich mit angesehen, wie einer umherirrte ohne Kleider, oder der Arme ohne Decke?
20 Wenn seine Lenden mich nicht gesegnet haben und er sich von der Wolle meiner Lämmer nicht wärmen durfte,
21 wenn ich meine Hand gegen die Waise erhob, weil ich sah, dass man mir helfen würde im Tor,
22 so soll mir meine Schulter vom Nacken fallen und mein Arm aus seinem Gelenk brechen!
23 Denn schrecklich wäre Gottes Strafe[q] für mich gewesen, und vor seiner Hoheit hätte ich nicht bestehen können.
24 Habe ich mein Vertrauen je auf Gold gesetzt und zum Feingold gesagt: »Sei du meine Zuversicht!«,
25 habe ich mich gefreut, weil ich reich geworden bin und meine Hand viel erworben hat;
26 habe ich die Sonne angesehen, wenn sie leuchtete, und den Mond, wie er so prächtig dahinzog,
27 und habe ich mein Herz im Geheimen verführen lassen, dass ich ihnen Kusshände zuwarf,
28 so wäre auch das ein strafwürdiges Vergehen gewesen; denn ich hätte Gott in der Höhe verleugnet.
29 Habe ich mich gefreut über den Sturz meines Feindes und mich ergötzt daran, wenn ihn ein Unglück traf?
30 Nein, ich habe meine Zunge nie hergegeben zum Sündigen, dass ich mit einem Fluch sein Leben gefordert hätte.
31 Haben meine Hausgenossen nicht oft gesagt: »Wer wäre nicht von seinem Fleisch satt geworden?«
32 Kein Fremder brauchte draußen zu übernachten; ich öffnete meine Tür dem Wandersmann.
33 Habe ich, wie Adam, meine Übertretung zugedeckt, sodass ich meine Schuld in meiner Brust verbarg,
34 weil ich die große Menge fürchtete und die Verachtung [meiner] Verwandten mich niedergeschlagen hätte, sodass ich geschwiegen hätte und nicht zur Tür hinausgegangen wäre?
35 O dass ich einen hätte, der mir Gehör schenkte! Siehe, da ist meine Unterschrift; der Allmächtige antworte mir, und mein Gegner schreibe eine Klageschrift gegen mich!
36 Wahrlich, ich würde sie auf meine Schulter nehmen und als Ehrenkranz um mein Haupt winden!
37 Meine Schritte dürfte ich ihm getrost aufzählen und ihm nahen wie ein Fürst!
38 Wenn mein Ackerboden gegen mich schreit und seine Furchen miteinander weinen,
39 weil ich, ohne ihn zu bezahlen, seinen Ertrag verzehrt habe und die Seele seines Besitzers aushauchen ließ,
40 so soll statt Weizen Dorngestrüpp hervorkommen und Unkraut anstatt der Gerste!
Zu Ende sind die Reden Hiobs.
Elihu tadelt Hiobs Freunde und redet zu Hiob
32 Und jene drei Männer hörten auf, Hiob zu antworten, weil er in seinen Augen gerecht war.
2 Da entbrannte der Zorn Elihus[r], des Sohnes Baracheels, des Busiters, aus dem Geschlecht Ram; über Hiob entbrannte sein Zorn, weil er meinte, er sei Gott gegenüber im Recht;[s]
3 über seine drei Freunde aber entbrannte sein Zorn, weil sie keine Antwort fanden und Hiob doch verurteilten.
4 Elihu aber hatte mit seiner Rede an Hiob gewartet; denn jene waren älter als er.
5 Als aber Elihu sah, dass im Mund jener drei Männer keine Antwort mehr war, da entbrannte sein Zorn.
6 Und Elihu, der Sohn Baracheels, der Busiter, ergriff das Wort und sprach:
Jung bin ich an Jahren, ihr aber seid grau; darum scheute und fürchtete ich mich, euch mein Wissen zu verkünden.
7 Ich dachte: Die Betagten sollen reden und die Bejahrten Weisheit lehren!
8 Aber der Geist ist es im Menschen, und der Odem des Allmächtigen, der sie verständig macht.
9 Angesehene sind nicht weise, und Alte verstehen sich nicht aufs Recht.
10 Darum sage ich: Höre auf mich, so will ich mein Wissen verkünden, ja, auch ich!
11 Siehe, ich habe eure Reden abgewartet, auf eure Einsichten gehört, bis ihr die [rechten] Worte finden würdet;
12 und ich gab aufmerksam auf euch acht — aber siehe, da war keiner, der Hiob widerlegt hätte, der seine Reden beantwortet hätte!
13 Sagt nur ja nicht: »Wir haben die Weisheit gefunden: Gott wird ihn wegfegen, nicht ein Mensch!«
14 Er hat seine Worte nicht an mich gerichtet, so will ich ihm auch nicht mit euren Worten antworten.
15 Sie sind bestürzt, sie geben keine Antwort mehr, die Worte sind ihnen ausgegangen!
16 Und ich sollte warten, weil sie nichts sagen, weil sie dastehen und nicht mehr antworten?
17 So will auch ich nun meinen Teil erwidern und mein Wissen verkünden, ja, auch ich!
18 Denn ich bin voll von Worten, und der Geist, der in mir ist, drängt mich dazu.
19 Siehe, mein Inneres ist wie Wein, der keine Öffnung hat; wie [Wein], der aus neuen Schläuchen hervorbricht.
20 Ich will reden, damit ich Luft bekomme; ich will meine Lippen auftun und antworten.
21 Ich will aber für niemand Partei ergreifen und keinem Menschen schmeicheln;
22 denn ich kann nicht schmeicheln — leicht könnte mein Schöpfer mich sonst wegraffen!
Elihu verkündet das Heilswerk Gottes
33 Doch höre nun, Hiob, meine Rede, und nimm alle meine Worte zu Ohren!
2 Siehe doch, ich öffne meinen Mund, meine Zunge redet in meiner Mundhöhle;
3 meine Reden kommen aus aufrichtigem Herzen, und meine Lippen sprechen lautere Wahrheit aus.
4 Der Geist Gottes hat mich gemacht, und der Odem des Allmächtigen erhält mich am Leben.
5 Kannst du es, so widerlege mich; rüste dich, tritt vor mich hin!
6 Siehe, ich bin vor Gott gleich wie du; auch ich bin aus Lehm gebildet.
7 Siehe, Furcht vor mir soll dich nicht schrecken, und meine Hand soll dich nicht niederdrücken.[t]
8 Nun hast du vor meinen Ohren gesagt, und ich höre [noch] den Klang der Worte:
9 »Rein bin ich, ohne Vergehen, unbefleckt bin ich und ohne Schuld!
10 Siehe, Er erfindet Feindseligkeiten[u] gegen mich, er hält mich für seinen Feind;
11 er legt meine Füße in den Stock und lauert auf alle meine Wege!«
12 Siehe, da bist du nicht im Recht, erwidere ich dir; denn Gott ist größer als der Mensch!
13 Warum rechtest du denn mit ihm, da er doch keine seiner Taten zu verantworten hat?
14 Sondern Gott redet einmal und zum zweiten Mal, aber man beachtet es nicht.
15 Im Traum, im Nachtgesicht, wenn tiefer Schlaf die Menschen befällt und sie auf ihren Lagern schlummern,
16 da öffnet er das Ohr der Menschen und besiegelt seine Warnung an sie,
17 um den Menschen von seinem Tun abzubringen und den Mann vor dem Hochmut zu bewahren,
18 damit er seine Seele vom Verderben[v] zurückhalte, und sein Leben davon, in den Wurfspieß zu rennen.
19 Er züchtigt ihn mit Schmerzen auf seinem Lager, ja, er straft sein Gebein sehr hart,
20 dass ihm das Brot zum Ekel wird und seiner Seele die Lieblingsspeise.
21 Sein Fleisch schwindet dahin, man sieht es nicht mehr, und seine Knochen, die man sonst nicht sah, liegen bloß;
22 seine Seele naht sich dem Verderben und sein Leben den Todesmächten.
23 Wenn es dann für ihn einen Gesandten[w] gibt, einen Mittler[x], einen aus Tausenden, der dem Menschen Seine Gerechtigkeit verkündigt,
24 so wird Er sich über ihn erbarmen und sprechen: »Erlöse ihn, damit er nicht ins Verderben hinabfahre; ich habe ein Lösegeld[y] gefunden!«
25 Alsdann wird sein Fleisch frischer sein als in jungen Jahren; er wird zurückkehren zu den Tagen seiner Jugend;
26 er wird zu Gott flehen, und der wird ihm gnädig sein; ja, Er wird ihn Sein Angesicht sehen lassen mit Jauchzen, und Er wird dem Menschen seine Gerechtigkeit wiedergeben.[z]
27 Der wird [dann] singen vor den Menschen und sagen: Ich hatte gesündigt und das Recht verkehrt; aber er hat mir nicht vergolten [wie ich es verdiente];
28 er hat meine Seele erlöst, dass sie nicht ins Verderben hinabgefahren ist, sodass mein Leben das Licht wieder sieht!
29 Siehe, dies alles tut Gott zwei- oder dreimal mit dem Menschen,
30 um seine Seele vom Verderben zurückzuholen, damit sie erleuchtet werde mit dem Licht der Lebendigen[aa].
31 Habe acht, Hiob, höre mir zu; schweige, und ich will reden!
32 Wenn du Worte hast, so antworte mir; rede nur, denn ich wünsche deine Rechtfertigung!
33 Wenn aber nicht, so höre mir zu; schweige, und ich will dich Weisheit lehren!
Elihu verkündet die souveräne Gerechtigkeit Gottes
34 Und Elihu redete weiter und sprach:
2 Hört, ihr Weisen, auf meine Worte, und ihr Verständigen, gebt mir Gehör!
3 Denn das Ohr prüft die Worte, wie der Gaumen die Speise schmeckt.
4 Das Rechte wollen wir uns erwählen, um untereinander zu erkennen, was gut ist!
5 Denn Hiob behauptet: »Ich bin gerecht, aber Gott hat mir mein Recht entzogen.
6 Trotz meines Rechtes werde ich zum Lügner gestempelt; tödlich verwundet bin ich vom Pfeil — ohne dass ich schuldig wäre!«
7 Wer ist ein Mann wie Hiob, der Lästerung trinkt wie Wasser,
8 der in Gemeinschaft mit Übeltätern wandelt und mit gottlosen Leuten umgeht?
9 Denn er hat gesagt: »Es nützt dem Menschen nichts, wenn er mit Gott Freundschaft pflegt!«
10 Darum, ihr verständigen Männer, hört mir zu: Fern sei es von Gott, dass er gesetzlos handle, und von dem Allmächtigen, dass er Unrecht tue;
11 sondern er vergilt dem Menschen nach seinem Handeln und lässt es jedem ergehen nach seinem Wandel.
12 Ja wahrlich, Gott handelt nicht gesetzlos, und der Allmächtige beugt das Recht nicht!
13 Wer hätte ihm die Erde unterstellt? Und wer hat den ganzen Erdkreis gegründet?
14 Wenn Er nur noch auf sich selbst achtete und seinen Geist und Odem wieder zurücknähme,
15 so würde alles Fleisch miteinander vergehen und der Mensch zum Staub zurückkehren.
16 Hast du nun Verstand, so höre dies; und schenke der Stimme meiner Worte Gehör!
17 Könnte auch einer herrschen, der das Recht hasst? Oder willst du den Gerechten, den Mächtigen, schuldig sprechen?
18 Darf man zum König sagen: Du Nichtsnutz[ab]!, und zu Edlen: Du Gottloser?
19 Wie viel weniger zu dem, der die Person der Fürsten nicht ansieht und den Vornehmen nicht mehr achtet als den Geringen; denn sie sind alle das Werk seiner Hände.
20 Plötzlich sterben sie, mitten in der Nacht; ein Volk wird ins Wanken gebracht und geht dahin, und er beseitigt den Tyrannen ohne Menschenhand.
21 Denn Seine Augen[ac] sind auf die Wege des Menschen gerichtet, und Er sieht jeden Schritt, den einer macht.
22 Es gibt keine Finsternis und keinen Todesschatten, wo die Übeltäter sich verbergen könnten.
23 Denn er braucht nicht lange auf einen Menschen zu achten, damit der vor Gott ins Gericht kommt.
24 Er zerschmettert Gewaltige ohne Untersuchung und setzt andere an ihre Stelle.
25 Denn Er kennt ihre Werke, und er kehrt sie um über Nacht, sodass sie zermalmt werden.
26 Als Gottlose züchtigt er sie dort, wo alle es sehen,
27 weil sie von ihm abgefallen sind und keinen seiner Wege beachtet haben,
28 sodass sie das Schreien des Geringen zu ihm hinaufdringen ließen und er das Schreien der Unterdrückten hörte.
29 Wenn er sich ruhig verhält, wer kann [ihn] verurteilen? Wenn er sein Angesicht verbirgt, wer kann ihn schauen? So [handelt] er sowohl an einem Volk als auch an dem einzelnen Menschen,
30 damit nicht gottlose Menschen regieren, dass sie nicht Fallstricke für das Volk werden.
31 Denn zu Gott muss man sagen: »Ich habe [meine Strafe] getragen und will nicht mehr verkehrt handeln;
32 was ich nicht sehe, lehre du mich; wenn ich Unrecht getan habe, so will ich"s nicht wieder tun!«
33 Soll Er nach deinem Sinn Vergeltung üben, weil du verwirfst? Denn du musst wählen, und nicht ich; was du weißt, das rede!
34 Verständige Männer werden mir zustimmen, und [jeder] weise Mann, der mir zuhört:
35 Hiob redet wie ein Unwissender, und seine Worte zeugen nicht von Einsicht.
36 O dass doch Hiob fort und fort geprüft würde, weil er antwortet, wie gottlose Männer antworten!
37 Denn zu seiner Sünde fügt er Frevel hinzu; er verhöhnt uns und redet viel gegen Gott!
Elihu rät Hiob, Gott und seine Belehrung zu suchen
35 Weiter redete Elihu und sprach:
2 Hältst du dies für Recht, wenn du sagst: »Ich bin gerechter als Gott«[ad]?
3 Denn du fragst dich, was es dir nützt: »Was habe ich davon, wenn ich nicht sündige?«[ae]
4 Ich will dir Worte erwidern und deinen Gefährten mit dir!
5 Sieh zum Himmel empor und betrachte ihn, und schau die Wolken an, die höher sind als du!
6 Wenn du sündigst, was tust du Ihm zuleide? Und sind deine Missetaten zahlreich, was schadest du Ihm?
7 Bist du aber gerecht, was gibst du Ihm, und was empfängt Er von deiner Hand?
8 Aber ein Mensch wie du leidet unter deiner Gottlosigkeit, und einem Menschenkind nützt deine Gerechtigkeit.
9 Sie schreien unter den vielen Bedrückungen, sie rufen um Hilfe wegen der Gewalt der Großen.
10 Aber man denkt nicht: Wo ist Gott, mein Schöpfer, der Loblieder gibt in der Nacht,
11 der uns mehr Belehrung zuteilwerden ließ als den Tieren des Feldes, und uns mehr Verstand gegeben hat als den Vögeln unter dem Himmel?
12 Dann schreien sie, doch Er antwortet nicht wegen des Übermuts der Bösen.
13 Gott wird auf Nichtigkeit gewiss nicht hören, und der Allmächtige sieht sie nicht an.
14 Auch wenn du sagst, du könntest ihn nicht sehen, so liegt die Rechtssache doch vor ihm; warte du nur auf ihn!
15 Und nun, weil sein Zorn noch nicht gestraft hat, sollte er deshalb um den Übermut nicht sehr wohl wissen?
16 So hat also Hiob seinen Mund umsonst aufgesperrt und aus lauter Unverstand so viele Worte gemacht!
Elihu beschreibt das Schicksal der Gerechten und der Gottlosen
36 Und Elihu fuhr fort und sprach:
2 Gedulde dich noch ein wenig, so will ich es dir mitteilen; ich habe noch mehr Worte für Gott.
3 Ich will mein Wissen von weit her holen und meinem Schöpfer Gerechtigkeit widerfahren lassen!
4 Denn wahrlich, meine Reden sind keine Lügen; vor dir steht ein Mann mit vollkommener Erkenntnis.
5 Siehe, Gott ist mächtig, doch verachtet er niemand; groß ist die Kraft seines Herzens.[af]
6 Den Gottlosen erhält er nicht am Leben, aber den Elenden schafft er Recht.
7 Er wendet seine Augen nicht ab von dem Gerechten, und er setzt sie auf ewig mit Königen auf den Thron, damit sie herrschen.
8 Sind sie aber in Fesseln gebunden, in Banden des Elends gefangen,
9 so hält er ihnen ihre Taten und ihre Übertretungen vor, denn sie haben sich überhoben;
10 er öffnet ihr Ohr der Zurechtweisung und befiehlt ihnen, sich von der Bosheit abzukehren.
11 Wenn sie dann gehorchen und sich unterwerfen, so werden sie ihre Tage in Glück vollenden und ihre Jahre in Wohlergehen.
12 Gehorchen sie aber nicht, so rennen sie in den Wurfspieß und sterben dahin in ihrem Unverstand.
13 Die aber ein gottloses Herz haben, häufen Zorn auf; sie rufen nicht um Hilfe, wenn er sie gefesselt hat.
14 Ihre Seele stirbt in der Jugend, und ihr Leben unter den Hurern[ag].
15 Den Gedemütigten aber rettet er durch die Demütigung und öffnet durch die Not sein Ohr.
16 Und auch dich führt er aus dem Rachen der Bedrängnis; dein Platz wird uneingeschränkte Weite sein und dein Tisch bereitet mit reicher, guter Speise.
17 Bist du aber vom Urteil des Gottlosen erfüllt, so werden Urteil und Gericht dich treffen.
18 Der Zorn aber verleite dich ja nicht zur Lästerung, und die Menge des Lösegeldes besteche dich nicht!
19 Wird dich etwa dein Hilferuf aus der Bedrängnis herausführen und alle deine mühevollen Anstrengungen?
20 Sehne dich nicht nach der Nacht, wenn Völker untergehen werden!
21 Hüte dich, wende dich nicht zum Unrecht, denn dies hast du dem Elend vorgezogen!
Die unerforschlichen Wege Gottes
22 Siehe, Gott ist erhaben in seiner Kraft; wer ist ein Lehrer wie er?
23 Wer will ihn zur Rede stellen über seinen Weg, und wer will zu ihm sagen: Du hast Unrecht getan?
24 Denke daran, sein Tun zu erheben, das Menschen besingen.
25 Alle Menschen schauen es an; der Sterbliche erblickt es von ferne.
26 Siehe, Gott ist so erhaben, dass wir [ihn] nicht erkennen können; die Zahl seiner Jahre ist unerforschlich.
27 Denn er zieht Wassertropfen herauf; sie sickern als Regen für seinen Wasserstrom herab,
28 den die Wolken niederrieseln, auf viele Menschen herabtropfen lassen.
29 Versteht man auch das Ausspannen der Wolken und den Donnerschall seines Gezelts?
30 Siehe, er breitet sein Licht darüber aus und bedeckt die Gründe des Meeres;
31 denn damit richtet er die Völker und gibt Speise die Fülle.
32 Seine Hände umhüllt er mit dem Blitzstrahl und gebietet ihm, zu treffen.
33 Sein Donnerruf kündigt ihn an, sogar das Vieh sein Heranziehen.
Schluss der Rede Elihus: Der Gewittersturm bezeugt die Größe Gottes
37 Ja, darüber erzittert mein Herz und fährt auf von seiner Stelle!
2 Hört, hört auf das Donnern seiner Stimme und auf das Grollen, das aus seinem Mund hervorkommt!
3 Er lässt es dahinfahren unter dem ganzen Himmel, und sein Licht bis zu den Enden der Erde.
4 Hinter ihm her brüllt der Donner; er donnert mit seiner majestätischen Stimme, und er spart damit nicht, damit seine Stimme gehört werde.
5 Gott donnert mit seiner Stimme wunderbar; er tut große Dinge, die wir nicht verstehen.
6 Denn er gebietet dem Schnee: Falle auf die Erde! und lässt Regen fließen, heftige Regengüsse.
7 Dann zwingt er die Hand jedes Menschen zur Untätigkeit, damit alle Leute sein Werk erkennen möchten.
8 Da sucht das Wild seine Schlupfwinkel auf und bleibt in seinen Höhlen.
9 Aus der Kammer [des Südens] kommt der Sturm und von den Nordwinden die Kälte.
10 Durch den Hauch Gottes entsteht Eis, und die weiten Wasser frieren zu.
11 Mit Wasserfülle belastet er die Wolken; er zerstreut sein helles Gewölk.
12 Und dieses zieht ringsumher, wohin er es lenkt, wendet sich überallhin, um alles auszurichten, was er ihm befiehlt, auf dem ganzen Erdenrund
13 — bald zur Rute für sein Land, bald zur Wohltat lässt er es über sie kommen.
14 Nimm dies zu Ohren, Hiob; steh still und erwäge Gottes Wundertaten!
15 Weißt du, wie Gott ihnen Befehl gibt, wie er das Licht seiner Wolken leuchten lässt?
16 Verstehst du das Schweben der Wolke, die Wunder dessen, der an Verstand vollkommen ist?
17 Du, dem die Kleider zu warm werden, wenn es im Land schwül wird vom Südwind,
18 breitest du mit Ihm das Firmament[ah] aus, dass es fest steht wie ein gegossener Spiegel?
19 Lehre uns, was wir ihm sagen sollen; wir können nichts vorbringen vor [lauter] Finsternis!
20 Soll ihm gemeldet werden, dass ich rede? Oder sollte der Mensch wünschen, vertilgt zu werden?
21 Jetzt zwar sieht man das Licht nicht, das doch leuchtend hinter den Wolken steht; aber der Wind wird sich erheben und sie wegfegen.
22 Von Norden her kommt Goldglanz; Gott ist von wunderbarer Pracht umgeben.
23 Den Allmächtigen finden wir nicht; er ist von unbegreiflicher Kraft, voll Recht und Gerechtigkeit; er beugt sie nicht.
24 Darum fürchten ihn die Menschen; er aber sieht keinen an, der sich selbst für weise hält![ai]
Der Herr selbst antwortet Hiob und stellt ihm prüfende Fragen
38 Da antwortete der Herr dem Hiob aus dem Gewittersturm und sprach:
2 Wer verfinstert da den Ratschluss mit Worten ohne Erkenntnis?
3 Gürte doch deine Lenden wie ein Mann! Ich will dich fragen, und du sollst mich belehren!
Die Schöpfung bezeugt Gottes Macht und die Ohnmacht des Menschen
4 Wo warst du, als ich den Grund der Erde legte? Sprich es aus, wenn du Bescheid weißt!
5 Wer hat ihre Maße bestimmt? Weißt du das? Oder wer hat die Messschnur über sie ausgespannt?
6 Worin wurden ihre Grundpfeiler eingesenkt, oder wer hat ihren Eckstein gelegt,
7 als die Morgensterne miteinander jauchzten und alle Söhne Gottes jubelten?
8 Wer hat das Meer mit Schleusen verschlossen, als es hervorbrach, heraustrat [wie] aus dem Mutterschoß,
9 als ich es in Wolken kleidete und Wolkendunkel zu seinen Windeln machte;
10 als ich ihm seine Grenze zog und Riegel und Tore einsetzte
11 und sprach: »Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter; hier soll sich der Stolz deiner Wellen legen«?
12 Hast du, solange du lebst, jemals den Sonnenaufgang angeordnet und dem Morgenrot seinen Platz angewiesen,
13 dass es die Enden der Erde erfasse, damit die Frevler von ihr verscheucht[aj] werden?
14 Sie verwandelt sich wie Siegelton, und alles steht da wie ein [Pracht-]Gewand;
15 den Gottlosen wird ihr Licht entzogen, und der erhobene Arm wird zerbrochen.
16 Bist du auch bis zu den Quellen des Meeres gekommen, oder hast du den Urgrund der Meerestiefe durchwandelt?
17 Sind dir die Tore des Todes geöffnet worden, oder hast du die Pforten des Todesschattens gesehen?
18 Hast du die Breiten der Erde überschaut? Weißt du das alles, so sage es mir!
19 Welches ist denn der Weg zu den Wohnungen des Lichts, und wo hat denn die Finsternis ihren Ort,
20 dass du sie bis zu ihrer Grenze bringen und die Pfade zu ihrem Haus kennen könntest?
21 Du weißt es ja, denn zu der Zeit warst du geboren, und die Zahl deiner Tage ist groß!
22 Bist du auch bis zu den Vorratskammern des Schnees gekommen, und hast du die Speicher des Hagels gesehen,
23 die ich aufbehalten habe für die Zeit der Drangsal, für den Tag des Kampfes und der Schlacht?
24 Auf welchem Weg verteilt sich denn das Licht, und wie verbreitet sich der Ostwind über die Erde?
25 Wer hat der Regenflut ein Bett gewiesen und dem Donnerstrahl einen Weg,
26 damit es regne auf ein menschenleeres Land, auf die Wüste, wo kein Mensch ist,
27 um die Einöde und Wildnis zu sättigen, um das junge Grün hervorsprießen zu lassen?
28 Hat der Regen einen Vater, oder wer hat die Tropfen des Taus erzeugt?
29 Aus wessen Schoß ist das Eis hervorgegangen, und wer hat den Reif des Himmels geboren?
30 Wie zu Stein erstarrt das Wasser, und die Oberfläche der Fluten schließt sich fest zusammen.
31 Knüpfst du die Bande des Siebengestirns, oder kannst du die Fesseln des Orion lösen?
32 Kannst du die Sterne des Tierkreises herausführen zu ihrer Zeit, und leitest du den Großen Bären samt seinen Jungen?
33 Kennst du die Gesetze des Himmels, oder bestimmst du seine Herrschaft über die Erde?
34 Kannst du deine Stimme zu den Wolken erheben, sodass dich Regengüsse bedecken?
35 Kannst du Blitze entsenden, dass sie hinfahren und zu dir sagen: Siehe, hier sind wir?
36 Wer hat Weisheit in die Nieren gelegt, oder wer hat dem Herzen Verstand verliehen?
37 Wer zählt die Wolken mit Weisheit, und wer schüttet die Schläuche des Himmels aus,
38 dass der Staub zu Klumpen wird[ak] und die Schollen aneinanderkleben?
Die Tierwelt weist auf die Größe und Weisheit Gottes hin
39 Jagst du die Beute für die Löwin und stillst du die Begierde der jungen Löwen,
40 wenn sie in ihren Höhlen kauern, im Dickicht auf der Lauer liegen?
41 Wer verschafft dem Raben seine Speise, wenn seine Jungen zu Gott schreien und herumflattern aus Mangel an Nahrung?
39 Kennst du die Zeit, da die Steinböcke gebären, oder hast du beobachtet, wann die Hindinnen[al] kreißen?
2 Zählst du die Monate, die sie erfüllen müssen, und weißt du die Zeit ihres Gebärens?
3 Sie kauern sich nieder, werfen ihre Jungen und sind ihre Wehen los.
4 Ihre Jungen erstarken, wachsen im Freien auf, verlassen sie und kommen nicht mehr zurück.
5 Wer hat den Wildesel frei laufen lassen, und wer hat die Fesseln des Wildlings gelöst,
6 dem ich die Steppe zur Wohnung angewiesen habe, das salzige Land zum Aufenthalt?
7 Er lacht über den Lärm der Stadt, und das Geschrei des Treibers hört er nicht;
8 er ersieht sich die Berge zu seiner Weide und spürt allen grünen Kräutern nach.
9 Wird der Büffel willig sein, dir zu dienen? Bleibt er an deiner Krippe über Nacht?
10 Führst du den Büffel in der Furche an einem Strick, oder wird er hinter dir her die Talgründe eggen?
11 Vertraust du ihm wegen seiner großen Kraft, und überlässt du ihm deine Arbeit?
12 Rechnest du auf ihn, dass er deine Saat einbringt oder deine Tenne füllt?
13 Die Straußin schwingt fröhlich ihre Flügel; sind es aber treue Schwingen und Federn?
14 Denn sie überlässt ihre Eier der Erde und lässt sie im Sand ausbrüten.
15 Sie vergisst, dass ein Fuß sie zertreten und das Getier des Feldes sie zermalmen kann.
16 Sie ist hart gegen ihre Jungen, als gehörten sie ihr nicht; es macht ihr keinen Kummer, wenn sie sich umsonst abgemüht hat;
17 denn Gott ließ sie die Weisheit vergessen und hat ihr keinen Verstand zugeteilt.
18 Kommt aber die Zeit, da sie in die Höhe schnellt, so verlacht sie Ross und Reiter.
19 Hast du dem Ross Stärke verliehen und seinen Hals mit der Mähne umhüllt?
20 Bringst du es zum Springen wie eine Heuschrecke? Sein stolzes Schnauben klingt schrecklich!
21 Es scharrt den Boden, freut sich seiner Stärke; es zieht los, den Waffen entgegen;
22 es lacht über die Furcht, ist unverzagt und weicht vor dem Schwert nicht zurück;
23 über ihm klirrt der Köcher, die Klinge von Speer und Wurfspieß.
24 Mit wildem Lauf und Ungestüm verschlingt es den Boden[am] und bleibt nicht stehen, wenn das Schopharhorn ertönt;
25 sooft das Schopharhorn erklingt, ruft es: Hui! Von ferne wittert es die Schlacht, die Donnerstimme der Heerführer und das Kriegsgeschrei.
26 Bewirkt dein Verstand, dass der Habicht fliegt und seine Flügel nach Süden ausbreitet?
27 Schwingt sich auf dein Geheiß der Adler[an] empor und legt sein Nest in der Höhe an?
28 Er wohnt in Felsspalten und horstet dort, auf Felsenzacken und Bergesspitzen.
29 Von dort aus erspäht er sich Beute, seine Augen schweifen weit umher;
30 seine Jungen schlürfen Blut, und wo Erschlagene liegen, da ist er.
Hiob demütigt sich vor Gott
40 Weiter redete der Herr mit Hiob und sprach:
2 Will der Tadler mit dem Allmächtigen hadern? Wer Gott zurechtweisen will, der antworte nun!
3 Da antwortete Hiob dem Herrn und sprach:
4 Siehe, ich bin zu gering; was soll ich dir erwidern? Ich will meine Hand auf meinen Mund legen!
5 Ich habe einmal geredet und konnte nichts antworten, und noch ein zweites Mal, und ich will es nicht mehr tun!
Der Herr verweist Hiob auf seine Herrlichkeit und Macht
6 Und der Herr antwortete dem Hiob aus dem Gewittersturm und sprach:
7 Gürte doch deine Lenden wie ein Mann; ich will dich fragen, und du unterweise mich!
8 Willst du mein Rechtsurteil zunichtemachen, mich schuldig sprechen, damit du gerecht seist?
9 Ist denn dein Arm dem Arm Gottes gleich, oder sprichst du mit Donnerstimme wie er?
10 Schmücke dich doch mit Herrlichkeit und Hoheit, und bekleide dich mit Majestät und Pracht!
11 Gieße die Fluten deines Zornes aus; sieh jeden Hochmütigen an und demütige ihn!
12 Sieh jeden Hochmütigen an, erniedrige ihn; und zertrete die Gottlosen, wo sie stehen!
13 Begrabe sie miteinander im Staub, verhülle ihre Angesichter mit Finsternis!
14 Dann will auch ich dich preisen, dass deine Rechte dir zur Hilfe kommt.
Der Behemoth und seine Kraft
15 Sieh doch den Behemoth[ao], den ich gemacht habe wie dich: Gras frisst er wie der Ochse!
16 Sieh doch, welche Kraft in seinen Lenden liegt und welche Stärke in seinen Bauchmuskeln!
17 Sein Schwanz streckt sich wie eine Zeder; die Sehnen seiner Schenkel sind fest verflochten.
18 Seine Knochen sind wie eherne Röhren, seine Gebeine wie Eisenstangen.
19 Er ist der Erstling der Wege Gottes; der ihn gemacht hat, reichte ihm sein Schwert.
20 Denn Futter tragen ihm die Berge, wo alle Tiere des Feldes spielen.
21 Unter Lotosgebüschen liegt er, versteckt im Rohr und Sumpf.
22 Lotosgebüsche bedecken ihn mit ihrem Schatten; die Bachweiden umgeben ihn.
23 Siehe, der Strom schwillt mächtig an — er fürchtet sich nicht; er bleibt auch ruhig, wenn ein Jordan sich in seinen Mund ergießt!
24 Kann man ihm in seine Augen greifen, kann man mit Fangseilen seine Nase durchbohren?
Der Leviathan ist für den Menschen unbezwingbar — »Wer aber kann vor mir bestehen?«
25 Ziehst du etwa den Leviathan[ap] mit der Angel heraus, und kannst du seine Zunge mit einer Fangschnur fassen?
26 Kannst du ein Binsenseil durch seine Nase ziehen und einen Haken durch seine Kinnbacken stoßen?
27 Wird er dich lange anflehen oder dir freundliche Worte sagen?
28 Wird er einen Bund mit dir schließen, dass du ihn zum ewigen Knecht machst?
29 Kannst du mit ihm spielen wie mit einem Vögelchen oder ihn anbinden für deine Mädchen?
30 Feilschen etwa die Fischersleute um ihn, oder teilen ihn die Händler unter sich?
31 Kannst du seine Haut mit Spießen spicken und mit Fischharpunen seinen Kopf?
32 Lege doch deine Hand einmal an ihn — du wirst den Kampf nicht vergessen, wirst es nicht noch einmal tun!
41 Siehe, die Hoffnung auf ihn wird getäuscht; wird man nicht schon bei seinem Anblick hingestreckt?
2 Niemand ist so tollkühn, dass er ihn reizen möchte; wer aber kann vor mir bestehen?
3 Wer hat mir zuvor gegeben, dass ich ihm vergelten sollte? Alles, was unter dem ganzen Himmel ist, gehört mir!
4 Ich will von seinen Gliedern nicht schweigen, sondern reden von seiner Kraftfülle und von der Schönheit seines Baus.
5 Wer kann sein Gewand aufdecken, und wer greift ihm in die Doppelreihe seiner Zähne?
6 Wer öffnet die Tore seines Rachens? Rings um seine Zähne lagert Schrecken.
7 Prächtig sind seine starken Schilder, fest zusammengeschlossen und versiegelt;
8 einer fügt sich an den anderen, sodass kein Luftzug dazwischenkommt;
9 jedes haftet fest an dem anderen, sie greifen ineinander und lassen sich nicht trennen.
10 Sein Niesen lässt Licht aufleuchten, und seine Augen sind wie die Strahlen der Morgenröte.
11 Aus seinem Rachen schießen Fackeln; Feuerfunken sprühen aus ihm heraus.
12 Aus seinen Nüstern kommt Rauch hervor wie aus einem siedenden Topf und einem Kessel.
13 Sein Hauch entzündet Kohlen, eine Flamme schießt aus seinem Rachen;
14 Stärke wohnt auf seinem Nacken, und Angst springt vor ihm her.
15 Die Wampen seines Fleisches haften aneinander; sie sind ihm fest angegossen, unbeweglich.
16 Sein Herz ist hart wie Stein und so fest wie der untere Mühlstein.
17 Die Helden erbeben, wenn er auffährt; vor Verzagtheit geraten sie außer sich.
18 Trifft man ihn mit dem Schwert, so hält es nicht stand, weder Speer noch Wurfspieß oder Harpune.
19 Er achtet Eisen für Stroh und Erz für faules Holz.
20 Kein Pfeil kann ihn in die Flucht schlagen, und Schleudersteine verwandeln sich ihm zu Spreu.
21 Er achtet die Keule für einen Halm und verlacht das Sausen des Wurfspießes.
22 Auf seiner Unterseite sind spitze Scherben; er zieht einen Dreschschlitten über den Schlamm dahin.
23 Er bringt die Tiefe zum Sieden wie einen Kessel, macht das Meer zu einem Salbentopf.
24 Hinter ihm her leuchtet der Pfad; man könnte die Flut für Silberhaar halten.
25 Auf Erden[aq] ist nicht seinesgleichen; er ist geschaffen, um ohne Furcht zu sein.
26 Er schaut alle Hohen [furchtlos] an; er ist ein König über alle Stolzen.
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